Kapitel I

Ein neuer Blick auf die Welt

Die drei Philosophen 1

Wissensdurst

Wird sich hier ein Gespräch über Naturbeobachtung entspinnen? 

Der älteste Mann rechts zieht ein Schriftstück mit astronomischen Zeichen hervor und setzt zu sprechen an. 

Sein Gefährte in orientalischer Kleidung wendet sich ihm zu.

Der Jüngste sitzt mit Zirkel und Winkellineal in den Händen, so als würde er aufmerksam etwas vermessen.

„Das Ölgemälde mit den drei Philosophen in einer Landschaft…mit diesem so wunderbar gemalten Felsen.“

Marcantonio Michiel | So lautet eine 1525 verfasste Notiz zu diesem Kunstwerk des venezianischen Malers Giorgione.

Wer immer die drei Männer sind – sie haben sich dem Forschen verschrieben. Damit versinnbildlichen sie das gesteigerte Interesse an den Wissenschaften an der Wende zur Neuzeit. Um 1500 studierten humanistische Gelehrte antike Schriften, um diese zu überarbeiten und weiterzuentwickeln.
Der wahrscheinliche Auftraggeber des Bildes – Taddeo Contarini, ein reicher und gebildeter Venezianer -las selbst antike Manuskripte über Philosophie und Astronomie. Die Republik Venedig brachte als bedeutendes Verlagszentrum gedruckte wissenschaftliche Texte in Umlauf.

Für das Gemälde existieren viele Deutungen.

Raum für Natur

Giorgione schildert die Landschaft ausführlich. Menschen und Natur verbinden sich zu einer harmonischen Einheit. Die Natur selbst wird zum Experimentierfeld der Forschenden. Die Bäume im Hintergrund sind teils belaubt, teils kahl. Klingt hier der Wechsel der Jahreszeiten an?Spiegelt die Natur die verschiedenen Lebensalter der Männer wider?

Sind die drei Männer bestimmte antike Philosophen und Mathematiker?
Repräsentieren sie die drei Weisen aus dem Morgenland?
Oder verschiedene Religionen?

Aktuell besteht ein Zusammenhang zu einer Inschrift, die um 1520 bei Giorgiones Gemälde zu lesen war 

„Lebe durch die Werke des Geistes,
um alles andere wird sich der Tod kümmern.“

Dieser Vers stammt aus einem lateinischen Gedicht des Maecenas, das in der Renaissance weit verbreitet war. Das Motto fand unter anderem auch Platz in Traktaten über Astronomie. Werden uns die Werke des Geistes - unsere künstlerischen Ideen und wissenschaftlichen Erkenntnisse - über den Tod hinaus überdauern? Giorgiones Gemälde lässt weiterhin viele Lesarten offen.

Wer hat an der Uhr gedreht?

Geheimnisvoll … Die astronomische Schrift in den Händen des Ältesten erregt Aufmerksamkeit. In der Mitte befindet sich eine Mondsichel sowie ein kleinerer Kreis. Weiter unten ist eine mit Zacken versehene Scheibe mit den Ziffern 1 bis 7 erkennbar. Sie entspricht einem astronomischen Instrument, das zur Ermittlung der Nachtstunden anhand der Position des Polarsterns diente.

Ein Holzschnitt aus der Cosmographia von Petrus Apianus (im 16. Jahrhundert mehrfach aufgelegt) zeigt eine solche Sternuhr, auch Nachtuhr oder Nokturlabium genannt.

Zur Erkundung des Himmels entwarfen die Menschen bereits in der Antike astronomische Geräte, die stetig weiterentwickelt wurden. Viele solcher Instrumente befanden sich um 1600 im Besitz Kaisers Rudolfs II., darunter auch ein sogenanntes Astrolabium. Es bestimmte Himmelsrichtungen und Sternpositionen und war wesentlich in der Seefahrt.

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Giorgione, Die drei Philosophen, 1508/09. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband

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Nocturlabium, Holzschnitt aus der Cosmographia von Petrus Apianus, 1564. Getty Research Institute, public domain

Nach den
Sternen greifen

Schon frühe Hochkulturen nutzten die Erscheinungen am Himmel zur Zeitbestimmung. Die Babylonier fassten die hellsten Lichtpunkte am Nachthimmel mit imaginären Linien zu Figuren oder Gegenständen zusammen. Die Griechen und Römer der Antike entlehnten ihre Himmelsgestalten der Mythologie – sie wirken auch in der modernen Astronomie nach.

Die so entstandenen Sternbilder waren wichtig zur Orientierung in Zeit und Raum. Ihre Kenntnis war hilfreich zur Einteilung des Jahres oder bei der Seenavigation. Die Positionen der Gestirne wurden in Karten verzeichnet.

Claudius Ptolemäus

Claudius Ptolemäus, verfasste Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. ein einflussreiches astronomisches Lehrbuch, den später sogenannten Almagest. Das Ptolemäische Weltbild, das die kugelförmige Erde als Zentrum des Universums definiert, bestimmte die Auffassung des Kosmos bis weit in die Neuzeit hinein.

Abd ar-Rahman as-Sufi

Abd ar-Rahman as-Sufi, persisch-islamischer Astronom. Er überarbeitete und ergänzte in seinem Buch der Fixsterne den Sternenkatalog des Ptolemäus im 10. Jahrhundert und versuchte, die griechischen mit den arabischen Sternbildnamen in Beziehung zu setzen.

 Marcus Manilius

 Marcus Manilius, seine fünf Bücher der Astronomica aus dem 1. Jahrhundert wurden erst im Spätmittelalter wiederentdeckt. Um 1473 erschien in Nürnberg die erste Druckversion. Marcus Manilius, seine fünf Bücher der Astronomica aus dem 1. Jahrhundert wurden erst im Spätmittelalter wiederentdeckt. Um 1473 erschien in Nürnberg die erste Druckversion.

Aratos von Soloi

Aratos von Soloi, Verfasser des Lehrgedichtes Himmelserscheinungen im 3. Jahrhundert v. Chr.

Leier oder Geier

Bei der Gestaltung der Sternbilder orientierte sich Dürer an älteren Karten. Einige Figuren modifizierte er allerdings, wie die Darstellung der Leier: Aus dem Saiteninstrument der Antike wurde in der arabischen Überlieferung ein Geier oder Adler. Dürer verband die beiden Traditionen, indem er den Vogel mit einem Leierkörper versah.

Die Karte des nördlichen Sternenhimmels 3

Ein Hase am Südhimmel

Als Meister der Naturbeobachtung schilderte Dürer vor allem die (himmlischen) Tierfiguren sehr treffend. So ist etwa der Hase in der Südkarte deutlich als solcher zu erkennen.

Teamwork

Nürnberg war ein Zentrum der Himmelskartografie und des Baus astronomischer Messinstrumente.

Als naturwissenschaftlich interessierter Künstler stand Dürer in regem Austausch mit Astronomen. Er verknüpfte aktuelle Berechnungen bedeutender Sternforscher aus Nürnberg mit der Kenntnis antiker und arabischer Traditionen. Für die Positionierung der Sterne in Dürers Himmelskarten war Conrad Heinfogel zuständig. Als Herausgeber fungierte der Kartograf Johannes Stabius. Die Namen und Wappen der Autoren erscheinen in der unteren Ecke der Südkarte.

Links oben prangt das Wappen des Kardinals Matthäus Lang von Wellenburg, des Widmungsträgers der Karten. Er war ein enger Mitarbeiter Maximilians I

Das Druckprivileg des Kaisers ist rechts unten angeführt.

Die Karte des südlichen Sternenhimmels 4

Sensationell!

Die beiden Holzschnitte gelten als erste gedruckte Himmelskarten in Europa. Sie wurden vielfach reproduziert und verbreitet.

Die Darstellung des Nordhimmels ist an Personal dicht gedrängt. Der damals in Europa noch unbekanntere Südhimmel ist deutlich leerer, hatte doch das Zeitalter der großen Entdeckungen gerade erst begonnen. An der Kreislinie des Nordhimmels sind die zwölf Tierkreiszeichen zu erkennen. In den Ecken wachen vier Astronomen des Altertums.

 

Wegweisend

Dürers Sternkarten hatten großen Einfluss auf Darstellungen des Himmels in ganz Europa. Sie wirkten in späteren druckgrafischen Versionen und auch in dreidimensionalen Himmelsgloben nach.

Genauere Erd-und Himmelskarten ermöglichten große Expeditionen, die wiederum das geografische und astronomische Wissen erweiterten. Das Vordringen in noch unerschlossene Gebiete förderte die Entdeckung, aber auch die Eroberung der Welt. Die Ausdehnung von politischen und wirtschaftlichen Einflussbereichen nahm Fahrt auf.

Die Erweiterung des Weltbildes wurde auch in Globen veranschaulicht: Die Kugelform war das ideale räumliche Modell zum Erfassen der Welt.

Perspektivwechsel

Zeit für Veränderung! In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts trat Nikolaus Kopernikus auf den Plan: Er verortete nicht länger die Erde, sondern die Sonne im Zentrum des Kosmos. Seine revolutionäre Idee stieß auf Widerstand, insbesondere bei der christlichen Kirche. Galt doch lange die Erde als Mittelpunkt des Universums, um die sich die Sonne bewegt.

Doch Johannes Kepler trieb die Thesen von Kopernikus voran: Die Erde drehe sich um die eigene Achse und kreise wie die anderen Planeten um die Sonne. Ein weitreichender Umbruch nahm seinen Lauf, auch als „kopernikanische Wende“ bezeichnet.

 

Alles dreht sich um die Sonne

Diese astronomische Uhr zeigt erstmals eine mechanische Darstellung des heliozentrischen Planetensystems. Das große obere Ziffernblatt verdeutlicht die Bewegungen der Himmelskörper: Die damals bekannten Planeten Merkur, Venus, Mars, Saturn und Jupiter kreisen an fünf Zeigern um die feststehende Sonne, die sich im Zentrum des Ziffernblatts befindet.

Für die Umsetzung beriet sich der kaiserliche Uhrmacher Jobst Bürgi mit dem Hofastronomen Johannes Kepler. Beide waren für Rudolf II. in Prag tätig. Das Ergebnis: feinstes Kunsthandwerk im Dienst der Wissenschaft.

Ganz schön schwer

Das Gewicht des Kosmos lastet schwer auf den Schultern. Laut antikem Mythos war der Titan Atlas auf ewig verdammt, das Himmelsgewölbe zu tragen. Nur für kurze Zeit löste ihn der Held Herkules ab. Einstweilen sollte Atlas für ihn die goldenen Äpfel der Hesperiden stehlen.

Hier stemmt Herkules einen Erdglobus, der aus sogenanntem Ruinenmarmor gefertigt wurde. Der Künstler nützte dabei die natürliche Beschaffenheit dieses speziellen Kalksteins: Die Maserung und die unterschiedlichen Farbtöne ermöglichten es, die Erdteile samt Küstenlinien nachzubilden. Eine Weltkugel der besonderen Art.

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Albrecht Dürer, Die Karte des nördlichen Sternenhimmels, 1515. Staatliche Graphische Sammlung München © Staatliche Graphische Sammlung München

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Albrecht Dürer, Die Karte des südlichen Sternenhimmels, 1515. Staatliche Graphische Sammlung München © Staatliche Graphische Sammlung München

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Johannes Reinhold d. Ä. und Georg Roll, Mechanischer Himmelsglobus, 1583/84. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer © KHM-Museumsverband

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Jobst Bürgi, Sogenannte Wiener Planetenuhr, um 1605. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer © KHM-Museumsverband

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Globus mit Herkules als Trägerfigur, Italien, 1. Hälfte 17. Jahrhundert. Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer © KHM-Museumsverband