Kapitel IV
Bassanos Menü der Saison
Jacopo Bassanos erste Auseinandersetzung mit dem Thema Jahreszeiten fand noch im kleinen Format statt. Es waren Kunstwerke, die für Studioli, also Arbeitszimmer reicher Kunstsammler, und als Konversationsstücke gedacht waren. Sie scheinen von Bruegel inspiriert, dessen Jahreszeiten er vermutlich aus Kupferstichen kannte. Ähnlich wie dieser stellte Jacopo den bäuerlichen, ländlichen Alltag in sanft abfallender Landschaft dar. Andere Inspirationsquellen waren wohl Fresken in Trient und Buchillustrationen.
Der Rhythmus der Natur
Wie Bruegel wählte Bassano für jede Jahreszeit eine eigene Lichtstimmung der ihr zugeordneten Tageszeit.
Somit findet der große Zyklus der Jahreszeiten seine Entsprechung im Tagesablauf:
Frühling – Morgen, Sommer – Mittag, Herbst – Nachmittag, Winter – Nacht.
Anders als Bruegel integriert Jacopo aber auch biblische Themen in seine Bilder und verbindet die Zeiten des Jahres mit der christlichen Heilsgeschichte. So findet der Mensch seinen Platz nicht nur in der Natur, sondern auch im religiösen Kosmos.

Im Frühling ist etwa die Vertreibung aus dem Paradies als Detail im Hintergrund dargestellt.

Im Sommer die Opferung Isaaks.

Im Herbst empfängt im Hintergrund Moses die Gesetzestafeln.
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Jacopo Bassano, Frühling (Vertreibung aus dem Paradies), 1570/75. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband
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Jacopo Bassano, Sommer (Opferung Isaacs), 1570/75. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband
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Jacopo Bassanon, Herbst (Moses empfängt die Gesetzestafeln), 1570/75. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband
Die nächste Generation
Bei den Bassano-Söhnen lösen sich die Jahreszeiten-Bilder schließlich vom biblischen Kontext. Francesco entwirft die Idee von Jahres- und Monatszyklen auf großformatigen Leinwänden, die dem Repräsentationsgefühl seiner Auftraggeber gerecht werden. Er führte diese Gemälde schließlich in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Leandro aus.
Die Brüder nehmen neue Einflüsse aus dem Norden auf. Die Alltagsszenen ihrer Gemälde sind angeregt von den Markt- und Küchenbildern eines Pieter Aertsen und Joachim Beuckelaer. Francesco und Leandro entwickeln einen richtigen Bilderkatalog des menschlichen Lebens, der ihren Gemälden fast enzyklopädische Dimensionen verleiht. Neben bäuerlichen Tätigkeiten und Marktszenen finden sich auch genaue Schilderungen von Handwerksbetrieben. Ein schönes Beispiel sind zum Beispiel die Spinnerei und Weberei im Juli.
Zwölf Monate für den Kaiser
Einen monumentalen Höhepunkt findet das Thema der Jahreszeiten schließlich in den Serien der Zwölf Monate, die zwischen 1581 und 1590 entstanden. Der Wiener Zyklus ist von Leandro Bassano signiert und war vermutlich für Kaiser Rudolf II. gedacht.
In den Monatsbildern finden sich Menschen aller sozialen Schichten, von der bäuerlichen Bevölkerung über die bürgerliche Schicht bis zum Adel. In den Gemälden Februar und März wird das städtische Milieu zum Thema. Im Mittelpunkt stehen Karneval und Fastenzeit. Auch in den Bildern der Bassano-Söhne findet sich somit der ganze Kosmos menschlichen Lebens eingebettet in den größeren Bezug des Universums wieder. In diesem Sinne fanden sie auch am kaiserlichen Hof Rudolfs II. in Prag höchste Anerkennung und konnten gleichberechtigt neben den Jahreszeiten eines Giuseppe Arcimboldo stehen.
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Joachim Beuckelaer, Die Köchin, 1574. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband
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Leandro Bassano, Juli (Spinnerei und Weberei), 1581/87. Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband
Mit ihren Jahreszeiten- und Monatsbildern schufen Jacopo Bassano und seine Söhne Werke, die nicht nur die Verbindung von Mensch und Natur, sondern auch den Zeitgeist der Spätrenaissance widerspiegeln.
Ihre Darstellungen vereinen religiöse Symbolik mit alltäglichen Szenen und wissenschaftlichen Bezügen – ein Spiegelbild einer Epoche, die gleichermaßen von Tradition und Innovation geprägt war. Zu ihrer Zeit waren die Bassanos gefeierte Stars der Kunstwelt, hochgeschätzt in Venedig und am kaiserlichen Hof. Heute stehen sie oft im Schatten ihrer berühmten Zeitgenossen, doch ihr einflussreiches Schaffen zeigt, welch bedeutende Rolle sie in der Kunstgeschichte spielten.